Die Kanonenkugeln liegen bereit für die Schlacht des Jahres. Ende August reisen wieder Tausende von »Kämpfern« und Schaulustigen nach Buñol, um sich mit Wonne vollreife Tomaten um die Ohren zu hauen. Glücklicherweise ist dieser Krieg harmlos, allerdings bleibt bei der Tomatina kein Hemd und kein Auge trocken.
Wer diese Schlacht überleben will, sollte sich gut rüsten. Mit Regenhose und -jacke, mit Gummistiefeln und Plastikhut. Oder ganz einfach mit alten Klamotten, Turnschuhen und stabiler Sonnenbrille. Die Geschosse, die auf die »Kriegsteilnehmer« zukommen, sind nämlich Tomaten. Deshalb lassen sich die Wundmale dieser Schlacht auch ganz einfach unter der Dusche abwaschen.
Aber von vorne: Jedes Jahr am letzten Mittwoch im August muss Buñol förmlich bluten. Dann ziehen ganze Horden von »Kämpfern« in dem Städtchen im Hinterland von Valencia ein und spielen Krieg. Lastwagen karren Tonnen von überreifen Tomaten herbei und um punkt 11 Uhr knallt der Startschuss. Dann bewaffnen sich die Kämpfer mit Paradiesäpfeln, matschen und werfen, was das Zeug hält. Die Straßen füllen sich mit Tomatenpampe und Saft. Wer sauber bleiben möchte, hält am besten gebührenden Abstand – doch eine Garantie ist das nicht… Punkt zwölf erschallt der zweite Böllerschuss, und dann ist schlagartig Schluss. Anschließend haben Stadtreinigung und Hausbesitzer alle Hände voll zu tun, um Buñol wieder von der Tomatensauce zu befreien. Und die Krieger tragen stolz ihre versauten T-Shirts als Trophäen nach Hause.
»Kriegsbeginn« vor 70 Jahren
Angefangen hat das merkwürdige Treiben an einem Mittwoch des Jahres 1944 oder 1945. Beim Fest zu Ehren des Stadtpatrons San Luis Bertrán soll es während der Prozession zu einem Gerangel junger Leute vor einem Gemüseladen gekommen sein. Die Situation eskalierte, als einige von ihnen zu Tomaten griffen und mit diesen »Geschossen« aufeinander losgingen, bis ein paar Ordnungshüter den Kampf beendeten. Andere Quellen sprechen von der Attacke unzufriedener Bürger auf Ratsleute oder von Zuhörern, die einen miesen Musiker mit Tomaten bewarfen.
Jedenfalls bewaffneten sich manche Besucher beim Patronatstfest in den folgenden Jahren gleich von vornherein mit Paradiesäpfeln, wurden aber immer wieder von der Polizei gestoppt. Später war die kuriose Schlacht sogar für einige Jahre verboten, aber die Tomatina war nicht mehr totzukriegen. Heute ist sie ein gigantisches Spektakel, seit 2002 sogar ganz offiziell »Fest von internationalem touristischen Interesse«. Die Stadt Buñol hat sich die Tomatina sogar als eingetragenes Markenzeichen schützen lassen.
Die Gesetze der Tomatenschlacht
Und wie Verwaltungen so sind, haben sie auch gleich ein regelrechtes »Kriegsrecht« ersonnen. Auf der offiziellen Tomatina-Website werden akribisch die »normas« der Tomatina aufgelistet (klingt irgendwie deutsch…). Da heißt es dann: »Die Tomatina beginnt um 11 Uhr mit einem Böller und endet punkt zwölf Uhr mit dem zweiten Böller.« Oder: »Zerquetsche die Tomaten vor dem Werfen, der Aufschlag ist dann weniger schmerzvoll.« Und die wenigen Damen im Kampf will man wohl hiermit schützen: »Zerreiße keine Shirts – weder Deine eigenen noch die von anderen.« Und natürlich ist es untersagt, Flaschen oder andere harte Gegenstände mitzunehmen, geschweige denn zu werfen.
Sinnvoll sind solche Regeln durchaus, denn in manchen Jahren drängten sich bis zu 50.000 Menschen in dem 9.000-Seelen-Städtchen. Die Stadtverwaltung hat deshalb 2013 die Zahl der »Kriegsteilnehmer« auf 20.000 begrenzt. Und die brauchen ein Ticket – also schnell sein! Dieses Jahr steigt das Spektakel am 27. August.