Die Karwoche gehört im spanischen Jahreskalender zu den wichtigsten Festen. Sie ist geprägt durch tiefe Religiosität, düstere Umzüge – und jede Menge klassische Fastenspeisen. An erster Stelle steht seit Jahrhunderten der »bacalao«: Stockfisch, für den es unzählige Arten der Zubereitung gibt.
Ist es nicht paradox: Man spricht heute tatsächlich von kulinarischen Spezialitäten zur Semana Santa. Dabei ist die Karwoche im katholischen Spanien natürlich der Höhepunkt der Fastenzeit. Eine Woche lang gibt es nun vor allem im Süden große Prozessionen, die sich irgendwo zwischen religiöser Mystik und karnevaleskem Treiben bewegen.
Am bekanntesten ist wohl die Semana Santa in Sevilla, ich selbst finde jedoch die Prozessionen in Murcia noch beeindruckender. Dort feiert man die »Heilige Woche« als barockes Spektakel – mit ebenso finsteren wie faszinierenden Umzügen, die oft schon in der Morgendämmerung beginnen. Man kann durchaus eine Gänsehaut kriegen, wenn die Büßer mit ihren spitzen Hüten, grollenden Trommeln und lebensgroßen geschnitzten Heiligenfiguren vorbeiziehen.
Aber irgendwie haben es die Spanier geschafft, selbst die Passionsprozessionen zum Volksfest zu machen. Entlang der Routen werden Süßigkeiten verkauft – und auch wenn dies die ganz ernste Phase der Fastenzeit sein sollte, freuen sich alle schon aufs Essen.
Fastenspeise »bacalao«: Stockfisch in vielen Variationen
Hauptdarsteller auf der Bühne der Fastenspeisen ist der »bacalao«: Stockfisch. Der getrocknete Kabeljau wird in mehreren Phasen – oft über ein, zwei Tage – gewässert und entsalzt und dann nach den unterschiedlichsten Rezepten zubereitet.
Ein echter Semana-Santa-Klassiker, der schon vor Jahrhunderten in Klöstern auf den Tisch kam, ist die Fastensuppe (»sopa de cuaresma« oder »potaje de vigilia«). Es gibt sie in einer wirklich schlichten Version mit Kichererbsen, Spinat oder Mangold und Knoblauch. Meistens kommt aber auch eine ordentliche Portion Stockfisch in den Topf. Schließlich will man ja auch als Mann oder Frau Gottes in der Fastenzeit nicht verhungern…
Beliebt sind heute vor allem die frittierten Stockfischklößchen (»buñuelos de bacalao«) oder auch Stockfischkroketten (»croquetas de bacalao«). Im Norden kommt häufig »bacalao al pil-pil« (mit viel Knoblauch und Olivenöl) auf den Tisch oder »purrusalda«: Stockfisch mit Lauch und Kartoffeln. Die Katalanen lieben ihren Stockfisch mit jungen Artischocken, und je nach Region gibt’s in dieser Zeit verschiedene Gemüseeintöpfe, viele Speisen mit Hülsenfrühten und die unterschiedlichsten Eierspeisen – etwa die beliebte »tortilla española« mit Zutaten wie Spinat, Paprikaschoten, Spargel, Zucchini, Pilzen – oder natürlich mit »bacalao«.
Süßes Leben in der Fastenzeit
Ganz besonders wichtig ist den Spaniern in der Fastenzeit ihr Süßzeug. Die Leckereien variieren von Region zu Region, aber überall liebt man die üppig süßen »torrijas«, eine Art Arme Ritter: Altes Brot wird in Milch getaucht, dann in verquirltem Ei gewendet und goldbraun herausgebacken. Und auch da wissen die Spanier wieder dem Genussverzicht ein Schnippchen zu schlagen: Sie runden das süße Brot nicht nur mit Zucker, Zimt und Honig ab, sondern am liebsten noch mit einem guten Schuss Süßwein oder Likör, mit dem sie die »torrijas« großzügig tränken. Man gönnt sich ja sonst nix…
Den Abschluss der Semana Santa und der gesamten Fastenzeit bildet wie bei uns das große Freudenfest am Ostersonntag. Man feiert die Auferstehung Christi, und das beliebteste Festmahl für diesen Tag ist Lamm. Meist wird es ganz einfach »al ajillo«, also mit reichlich Knoblauch, im Ofen geschmort. Im Süden ziehen die Leute aber auch gern mit ihren Grills an den Strand und brutzeln sich dort knusprige Lammkoteletts.
Und ganz wichtig: Den Ostersonntag krönt die »mona de pascua«, der unverzichtbare Osterkuchen, in den traditionell ein oder mehrere Eier eingebacken werden. Dieser Genuss muss sein – quasi als Belohnung für die Entbehrungen der letzten Wochen. Und auf die beruft sich jetzt jeder gern…